Es ist der 31. Mai 2013, 10:05 Uhr, als vom Leitungs- und Koordinierungsstab des Landesverbandes Sachsen, Thüringen die erste Lagemeldung in Richtung THW-Leitung nach Bonn verschickt wird. Von Unwetter und Starkregen ist die Rede, Überschwemmungen und ein Hauseinsturz werden als Schadenslage dokumentiert. 35 Helferinnen und Helfer sind an diesem Tag im Einsatz – eine kleine Gruppe im Vergleich zu dem, was wenige Tage später gemeldet wurde. Zum damaligen Zeitpunkt konnte noch keiner erahnen, dass auf den ersten Lagebericht noch knapp 60 folgen würden.
Denn der Regen wollte einfach nicht enden. Traten in Bayern und Baden-Württemberg bereits Mitte Mai die Flüsse über die Ufer und hinterließen Chaos und Verwüstung, wurden die Pegelhöchststände in Thüringen und Sachsen erst Ende Mai bzw. Anfang Juni gemessen. Schnell wurde klar, dass es sich nicht um einen Einsatz von einigen Stunden oder wenigen Tagen handeln würde, sondern dass die Ehrenamtlichen mitunter sechs Wochen lang alles geben mussten, um dem Wasser Einhalt zu gebieten.
„Unsere Helferinnen und Helfer, aber auch die Mitglieder anderer Organisationen, haben selbstlos und aufopferungsvoll den Kampf gegen das Wasser aufgenommen. Was sie geleistet haben, ist nur schwer in Worte zu fassen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir auch die unglaubliche Hilfsbereitschaft innerhalb der Bevölkerung. Bis zur Erschöpfung stapelten die Menschen Sandsäcke, räumten auf oder versorgten die Einsatzkräfte“, berichtet der Landesbeauftragte von Sachsen, Thüringen, Dr. Marcus von Salisch rückblickend. Damals war er noch in Funktion des Referatsleiters Einsatz tätig und oft in den von der Flut betroffenen Gebieten unterwegs. „Ebenfalls positiv im Gedächtnis geblieben ist mir die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr, der Polizei, den anderen Hilfsorganisationen und auch mit den Vertretern der beiden Bundesländer. Die Abstimmungen waren sehr intensiv und jeder wusste, dass man aufeinander angewiesen ist und sich im Ernstfall aufeinander verlassen kann. Das THW hat gezeigt, dass es in der Gefahrenabwehr ein unverzichtbarer Partner ist“, führt von Salisch weiter aus.
Im Verlauf des Junis stieg stetig die Zahl der Ehrenamtlichen, die Wasser pumpten, Schadenstellen beräumten, Einsatzorte beleuchteten, Deiche sicherten und verteidigten, Krisenstäbe berieten oder für den nötigen Strom sorgten. Zu Spitzenzeiten waren 845 Frauen und Männer an einem Tag aus dem THW in Sachsen und Thüringen im Einsatz. Da die Kapazitäten in den hiesigen Ortsverbänden erschöpft waren, wurde Verstärkung aus Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland angefordert.
Ende Juni waren die THW-Einsätze in Sachsen und Thüringen abgeschlossen. Darüber hinaus waren Einsatzkräfte noch bis Mitte Juli in Hochwassergebieten unterwegs. Als Bilanz standen deutschlandweit 1,6 Millionen Einsatzstunden; dies entspricht bei mehr als 16.000 Einsatzkräften einer Zeit von durchschnittlich 100 Stunden pro Person. In den zehn großen Bereitstellungsräumen wurden zwischen 100 und 900 Kräfte auf Feldbetten untergebracht. Die Kosten für den Einsatz beliefen sich auf mehr als 30 Millionen Euro.
Viel erreicht, aber auch viel zu tun
Als sich die Flusspegel wieder normalisiert hatten und die letzten Sandsäcke entsorgt waren, folgte im Technischen Hilfswerk die Aufarbeitung der zurückliegenden Einsätze. „Solche Großschadenslagen zeigen sehr deutlich, wo unsere Stärken liegen, aber auch, was noch optimiert werden kann“, resümiert Dr. Marcus von Salisch. Zum einen wurde das Rahmenkonzept angepasst und damit einhergehend die Einsatzoptionen verbessert und die Technik zukunftsfähig gemacht. Dazu gehörte auch, dass leistungsfähigere Pumpen angeschafft wurden. Konnten 2013 maximal 15.000 Liter Wasser pro Minute gepumpt werden, haben heutige Pumpen eine Leistungsfähigkeit von bis zu 25.000 Litern pro Minute. Auch die verschiedenen Fachgruppen innerhalb der Ortsverbände wurden teilweise umstrukturiert. Neu geschaffen wurden beispielsweise die Fachgruppen Notversorgung und Notinstandsetzung. Die Anzahl der Fachgruppen Räumen wurde aufgestockt, ebenfalls die der Fachgruppen Wasserschaden, Pumpen. Seit 2018 ist es auch möglich, mittels Drohnen die Lage aus der Luft zu erkunden: eine Einsatzoption, die wesentliche Erleichterungen mit sich bringt.
„Zum anderen hat seit dem Hochwasser 2013 die Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen sowie mit den Ländern einen höheren Stellenwert erhalten. Die Fachberatung wird deutlich mehr genutzt und das THW ist stärker in Planungs- und Arbeitsgruppen integriert“, lobt von Salisch die positiven Entwicklungen, die nach dem Hochwasser folgten.
Auch die politischen Verantwortlichen erkannten, wie wichtig ein gemeinsames Vorgehen bei Naturkatastrophen ist und beschlossen im September 2013 ein nationales Hochwasserschutz-Programm. Darin wurden Deichhöhen und Hochwasserstufen vereinheitlicht sowie die Absicht bekundet, Schutzprojekte gemeinsam zu planen und schneller zu genehmigen und zu bauen.
Das Hochwasser 2013 hat einmal mehr gezeigt, wie unverzichtbar das Ehrenamt in der Gesellschaft ist. Nicht nur, dass die Helferinnen und Helfer im Ernstfall zur Stelle sind und mit anpacken, auch im Vorfeld opfern sie viel Freizeit für Ausbildungen und Übungen, um für Einsätze befähigt zu sein. „Auch den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gilt mein expliziter Dank. Denn ohne die Freistellung unserer THW-Kräfte könnten auch wir unseren Auftrag, Gefahren von der Bevölkerung abzuwenden, nicht erfüllen“, so der Landesbeauftragte.