Anhand einer Musterplanung sollen nun beim THW-Bauprogramm bis 2030 deutschlandweit rund 200 Ortsverbandsgebäude entstehen. Um dieses sportliche und länderübergreifende Vorhaben umsetzen zu können, hat der Bundesbau einen unkonventionellen Plan entwickelt. Gleichzeitig braucht das THW für alle erforderlichen Baumaßnahmen weitere finanzielle Mittel, um den Zivilschutz weiter zu stärken.
Der Platz für viele der THW-Ortverbände wird eng. Bei sehr vielen der 668 Unterkünfte besteht kleinerer oder größerer Bedarf an baulichen Maßnahmen. Vielerorts steht nicht mehr der Raum zur Verfügung, den es bräuchte, um vollständig einsatz- und arbeitsfähig zu sein. Denn viele Liegenschaften sind seit der Gründung des THW 1950 inzwischen in die Jahre gekommen, sanierungsbedürftig oder gar baufällig. Sie sind zu klein, da beispielweise Fahrzeuge und die Anzahl der Einsatzkräfte größer sowie die Technik vielfältiger geworden sind. Umkleiden für Frauen und Mädchen fehlen häufig in Gänze.
Viele Liegenschaften entsprechen außerdem nicht mehr den sich verändernden Rahmenbedingungen – darunter energetischen Standards und neuen Anforderungen an Umweltstandards – und den nun neu in den Fokus genommenen Aufgaben des Zivilschutzes: Mit Blick auf die Zivilschutzfähigkeiten des THW ist auch eine gewisse Autarkie, u.a. in der Energieversorgung und anderen Bereichen, notwendig.
Bei rund 200 dieser Liegenschaften lässt sich der veränderte Bedarf nur durch einen Neubau decken. Und hier kommt das THW-Bauprogramm ins Spiel.
Moderne OV stellen die Einsatzfähigkeit im Bevölkerungsschutz sicher
Fakt ist, die Liegenschaften der Ortsverbände sind nicht nur Ausbildungs-, Einsatzsteuerungs- oder auch Fahrzeugstandort. Sie sind auch das Zuhause und das Heim der ehrenamtlichen THW-Kräfte. Und diese gemeinsame Heimat der Helferinnen und Helfer sichert den funktionierenden Bevölkerungsschutz, also den Zivil- und Katastrophenschutz, in Deutschland. Gute Rahmenbedingungen wie zeitgemäße Ausbildung, Ausstattung und Räume drücken die Wertschätzung für die hohe Einsatzbereitschaft des Ehrenamtes aus und sind deshalb die Basis für einen starken Zivilschutz und ein nachhaltiges ehrenamtliches Engagement. Ein starker und sichtbarer Zivil- und Katastrophenschutz stärkt auch langfristig den zivilgesellschaftlichen Zusammenhalt und das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung.
Um unsere Gesellschaft zu stärken und die Zivilschutztüchtigkeit in den nächsten Jahren zu gewährleisten, muss die Einsatzbereitschaft gesichert und das ehrenamtliche Engagement der vielen Helferinnen und Helfer erhalten bleiben. Dringend muss deshalb nun für den Raummangel eine Lösung geschaffen werden, von der alle profitieren.
Schneller als gedacht: serielles Bauen
Um dem Bedarf an neuen und modernen Liegenschaften gerecht zu werden, nutzt das THW erstmals in großflächigem Stil serielles Bauen, also das Bauen in Serie mit vorgefertigten Teilen, die im "Lego-Prinzip" verbunden und ausgebaut werden. Dafür hat das THW zusammen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und den für den Bund tätigen Bauverwaltungen das THW-Bauprogramm aufgesetzt. Die bereits seit Jahren bestehende Musterplanung für Ortsverbände wurde dabei auf den neuesten Stand gebracht. Um den Bedarf an neuen Liegenschaften optimal anzugehen, hat das THW rund 200 Ortsverbände identifiziert, die dringend einen Neubau brauchen und eine neue Liegenschaft erhalten sollen.
Ausgehend von dem Grundgedanken, dass sich Gebäude von THW-Ortsverbänden gut für serielles und modulares Bauen eignen, soll das Prinzip eines Baukastensystems die Lösung für den Zeitdruck sein. Denn es spart enorme Ressourcen. Dazu baut ein Totalunternehmer parallel gleich für mehrere Ortsverbände. Indem die Liegenschaften gleich aufgebaut werden– je nach Ausstattung wird dabei einer von drei Bautypen ausgewählt –, werden neben der Bauzeit auch deutliche Kosten eingespart. Die jeweiligen Bauverwaltungen rufen hierfür die Einzelprojekte aus einem Rahmenvertrag ab. Im Ergebnis werden so schneller als je zuvor die ehrenamtlichen THW-Kräfte ihre neu gebauten Ortsverbände beziehen können.
Start für die ersten 30 Ortsverbände
Die erste Rahmenvertragsausschreibung umfasst bundesweit mindestens 30 und bis zu 60 THW-Ortsverbände, die als "Totalunternehmerleistung" an bis zu zwei Auftragnehmer vergeben werden sollten. "Totalunternehmerleistung" bedeutet dabei Ausschreibung mit Leistungsprogramm, schlüsselfertiger Planung und Durchführung aus einer Hand. Eine entsprechende öffentliche Ausschreibung erstellte im letzten Jahr das Amt für Bundesbau Schleswig-Holstein (AfB) im Auftrag der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Die Prüfung und Bewertung der Angebote sowie die Zuschlagserteilung erfolgten in einer kooperativen, professionellen und länderübergreifenden Zusammenarbeit der Bundesbauverwaltungen.
Am 18. Dezember 2023 schließlich wurde der Auftrag für den ersten Rahmenvertrag zum Neubau der ersten THW-Ortsverbände erteilt. Der Auftragnehmer ist das Bau- und Dienstleistungsunternehmen Goldbeck GmbH. Das deutschlandweit agierende Familienunternehmen wird die 30 ersten Liegenschaften, die bisher bewilligt/finanziert sind, mit einheitlichen modernen Gebäuden samt Fahrzeughallen in standardisierter Bauweise errichten – mit einer Option auf weitere 30 Liegenschaften.
Mehr Informationen zu den ersten 30 Ortsverbänden hier.
Energieeffizient und nachhaltig
Bei dem Vorhaben spielen darüber hinaus Energieeffizienz (EGB 40), Klimaschutz und Nachhaltigkeit eine große Rolle: Neben dem Einbau von Wärmepumpen ist die Installation von inselfähigen Photovoltaik-Anlagen vorgesehen, die eine eigene Stromversorgung im Falle eines Blackouts ermöglichen. Außerdem soll Regenwasser genutzt werden, indem Zisternen eingebaut werden.
Ziel ist ein Nachhaltigkeits-Niveau auf BNB-Silber-Standard. Zudem sollen Klimaschutzvorgaben umgesetzt und die Ortsverbandsgebäude weitgehend barrierefrei errichtet werden.
Ehrenamt im Fokus: Schnelle und effektive Zusammenarbeit in der Verwaltung
Das THW-Bauprogramm ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass die Zusammenarbeit verschiedener Verwaltungen erfolgreich Hand in Hand gehen kann. Auftraggeber des Projekts ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Das Gesamt-Projektmanagement für das Bauprogramm liegt beim Amt für Bundesbau in Schleswig-Holstein. Die Musterplanung für die THW-Ortsverbände hat die Bauverwaltung des Bundes in Niedersachsen erarbeitet. Sie ist auch dafür verantwortlich, die Erstellung der funktionalen Leistungsbeschreibung abzunehmen. Die Bauverwaltung des Bundes in Baden-Württemberg steuerte weitere Teile der Leistungsbeschreibung (Kostengruppen 200 und 500) bei und hat Mitte 2023 die erste Rahmenvertragsausschreibung im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb veröffentlicht. Die gemeinsame Planung aller Projektpartner sieht nun vor, dass die ersten Bauarbeiten voraussichtlich an einem THW-Standort in Schleswig-Holstein im Herbst 2024 starten.
Das THW-Bauprogramm stellt für den Bundesbau ein bislang einmaliges Projekt dar, dass eine Vorreiterrolle übernehmen könnte. Mit der Konsistenz der Anforderungsbeschreibung und mit dem innovativen Vertragsmodell setzt das THW-Bauprogramm ein Zeichen für effizientes und wirtschaftliches Bauen, bei dem Bevölkerungsschutz-Strukturen nachhaltig gestärkt werden.