Frauen im THW: "Da geht noch was"
Das Technische Hilfswerk präsentiert in Kooperation mit dem Thüringer Sozialministerium die Kampagne: "Frauenpower im THW". Das erste Interview haben wir mit Präsidentin Sabine Lackner geführt

1. Was ist das Besondere an der ehrenamtlichen Tätigkeit der THW-Helferinnen und -Helfer?
Sabine Lackner: Das Besondere am THW ist, dass die Helferinnen und Helfer sehr professionell unterwegs sind. Viele Fähigkeiten und Fertigkeiten, die man im THW erlernt, sind sehr fachspezifisch. Hierfür lassen sich unsere Einsatzkräfte mit viel Engagement gut und intensiv ausbilden – denn Vorkenntnisse sind beim THW nicht nötig. Die Bereitschaft, das zu erlernen, sich fort- und weiterzubilden, das macht für mich das ganz Besondere aus, worauf sich dann die Helferinnen und Helfer auch einlassen.
2. Wie hat sich das THW in den vergangenen Jahren verändert, institutionell und gesellschaftlich?
Sabine Lackner: Das THW ist ganz stark angewachsen. Nach manchen unruhigen Jahren ist man sich einig: Das THW ist wichtig und wird gebraucht und hat auch neue Aufgaben bekommen. Zum einen haben wir uns hinsichtlich unserer Einsatztaktik verändert. Wir kamen ja aus der klassischen schweren Bergung und haben uns mit dem Rahmenkonzept 2016 neu aufgestellt in Richtung Kritische Infrastrukturen (Kritis), haben die Fachgruppen Notversorgung und Notinstandsetzung, kurz N, gegründet, sodass wir bundesweit diese Aufgaben durchführen können.
Zum anderen gibt es den Bundesfreiwilligendienst, der zeigt, wie toll Bufdis beispielsweise in den Ortsverbänden unterstützen können. Und wir begleiten junge Menschen bei ihrem Weg ins Leben, das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. Aber auch für ältere Menschen ist der Bundesfreiwilligendienst im THW eine echte Perspektive.
Durch den Krieg in der Ukraine gibt es wiederum Veränderungen im Bereich Zivilschutz und zivile Verteidigung. Wir sehen, dass die Veränderungsgeschwindigkeit deutlich zugenommen hat, auch was die Technik angeht, die Digitalisierung. In diesem Bereich haben wir uns sehr stark verändert.
Last but not least sind wir deutlich mehr Mädchen und Frauen im THW. Als ich vor 22 Jahren angefangen habe, lag der Frauenanteil im Ehrenamt zwischen drei und fünf Prozent, mittlerweile sind wir bei circa 16 Prozent und das ist eine tolle Entwicklung.
3. Was hat Sie zu dem Ziel „Bis 2030 ist jede 3. Einsatzkraft im THW eine Frau“ bewegt?
Sabine Lackner: "Wir haben uns zwar verändert, aber nicht in dem Tempo, wie ich es mir wünsche. Ich weiß, dass es etwas zugespitzt ist, aber ich möchte einfach auch Dampf machen. Wenn wir uns die Zahlen bundesweit anschauen, haben wir ein deutliches Nord-Süd und Ost-West-Gefälle. Das hat Tradition, das hat Geschichte. Im Osten Deutschlands haben wir einen recht hohen Frauenanteil, zum Teil 20, 25 Prozent. Schaue ich in den Süden, da sieht es schon deutlich anders aus. Das THW ist aber auch ein Abbild der Gesellschaft, wir haben Leitsätze, die unser Miteinander prägen: keine Diskriminierung, Vielfalt in der Gesellschaft. Und da habe ich gesagt: da geht noch was. Nun müssen wir uns anschauen, welche Hindernisse es gibt und diese aktiv beseitigen."
4. Die Gleichstellung von Frau und Mann hat nicht nur dadurch im THW einen hohen Stellenwert. Wie beurteilen Sie die Situation für Frauen innerhalb des THW aktuell? Was wurde in den letzten Jahren bereits erreicht?
Sabine Lackner: Wir hatten im vergangenen Jahr eine Befragung unserer Ehrenamtlichen, um herauszufinden, was gut läuft und wo wir besser werden können. Wenn man sich die Ergebnisse dieser THW-Ehrenamtsbefragung im Hinblick darauf anschaut, was Männer und was Frauen geantwortet haben, gibt es doch sehr große Unterschiede. Auf die Frage, ob sich jemand schon einmal aufgrund des Geschlechts diskriminiert gefühlt hat, haben 87 Prozent der Männer mit nein geantwortet und bei den Frauen waren es nur 65 Prozent. Das heißt, dass sich eine nicht unwesentliche Zahl schon einmal diskriminiert gefühlt hat. Das ist etwas, das wir uns anschauen müssen.
Auf der anderen Seite hat sich auch schon eine ganze Menge getan. Wir haben mehr weibliche Ortsbeauftragte, auch wenn die Zahl 27 von 668 auf jeden Fall noch ausbaufähig ist, aber immerhin. Wir haben fünf stellvertretende Landessprecherinnen und in Bayern gibt es zwar keine Frau als Ortsbeauftragte, aber es gibt eine Helferinnenbeauftragte. Das ist ganz spannend und es hat sich wirklich schon einiges getan.
Hinzu kommt, dass das THW in einer Zeit gegründet wurde, als Frauen als Einsatzkraft durch unseren Gründer Otto Lummitzsch sogar verboten waren. Die Liegenschaften sind zum Teil noch ungeeignet, es fehlt an ausreichend Umkleiden. Aber mittlerweile sind in den Musterraumbedarfsplänen, das sind die Pläne, wie eine THW-Unterkunft standardmäßig aussehen soll, Mädchen- und Frauenumkleiden fest integriert. In unserer Bundesschule in Hoya gibt es alle zwei Jahre den bundesweiten Helferinnentag, bei dem sich Frauen aus dem THW zu verschiedensten Themen austauschen. Vieles wurde inzwischen angeschoben, man sieht also: es hat sich schon etwas getan.
5. Welche Strukturen müssen sich Ihrer Meinung nach im THW und anderen Organisationen verändern, um Frauen die Mitarbeit zu erleichtern?
Sabine Lackner: Erstens ist es das Thema Kinderbetreuung. Da müssen wir im THW noch viel proaktiver sein und noch mehr kommunizieren, welche Angebote wir haben. Beispiel: Wenn ich in den Ausbildungszentren anfrage, kann ich vielleicht mein Kind mitbringen, oder, ich stille noch, kann vielleicht mein Partner mitkommen, dann wird da einiges möglich gemacht. Wir müssen publik machen, was alles aus Selbstbewirtschaftungsmitteln bezahlt werden kann, ob vielleicht auch Verdienstausfall gezahlt werden kann, wenn jemand beim Kind bleiben muss, damit der Partner oder die Partnerin in den Einsatz gehen kann.
Wir müssen uns dieser Lebenswirklichkeit stellen. Die Menschen wollen erfolgreich sein im Beruf, sie wollen eine Familie haben und wollen auch ihrem „Hobby“ im THW nachgehen. Und wir müssen schauen, wie wir unterstützen können, um das möglich zu machen.
Es gibt auch viele Studien, die sagen, dass Frauen viel eher angesprochen werden wollen. Man muss auf sie zugehen und fragen: „Hey, kannst du dir vorstellen, diesen Lehrgang zu machen? Können wir dich unterstützen?“ Wir sollten mehr auf Frauen und ihre Bedarfe eingehen.
6. Wie können alle THW-Angehörigen einen Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter leisten?
Sabine Lackner: Wir haben großartige Leitsätze. Und alle sollten darüber nachdenken, was sein oder ihr Beitrag ist, damit sich etwas verändert, damit sich jemand wohlfühlt. Wir sollten unsere Leitsätze leben, Diskriminierung darf nicht geduldet werden. Vielfalt ist so wichtig: Die Vielfalt aller Geschlechter, aller Menschen, das ist bereichernd.