1970 bis 1979: Einsätze und Weiterentwicklung
Die 1970er Jahre des Technischen Hilfswerks (THW) waren geprägt von verschiedenen Schwerpunkten. Gleich zu Beginn des Jahrzehnts startete das THW in den bis dato längsten Auslandseinsatz. Auch die bis heute bekannten blauen Fahrzeuge prägten diese Dekade, da sowohl der Gerätekraftwagen als auch der Mannschaftskraftwagen weiterentwickelt wurden.

Das THW zeigte auch in den 1970er Jahren seine vielseitige Bandbreite. Gleich zu Beginn des Jahrzehnts gab es insbesondere große Einsätze, die den Alltag der ehrenamtlichen Kräfte bestimmten.
Einsatzreicher Start
Mehr zum THW in Tunesien
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Einen ausführlichen Bericht zum THW-Einsatz in Tunesien gibt es hier.
Die 1970er Jahre starteten für das THW einsatzreich. So errichteten THW-Kräfte sechs Behelfsstraßenbrücken in Tunesien. Die Übergänge waren zuvor durch Regenfluten zerstört worden und mussten erneuert werden. Ein Erdbeben in der Türkei im März 1970 führte direkt im Anschluss zu einem weiteren Bergungseinsatz des THW. Auch in Deutschland rückte das THW für Bergungseinsätze nach Zugunglücken bei Celle und Alfeld aus, um den Menschen vor Ort zu helfen.
Ein Jahrzehnt geprägt durch Hochwasser-Einsätze

Noch während die THW-Kräfte in Jugoslawien und Tunesien unterstützten, rollte ein innerdeutscher Großeinsatz auf die Helferinnen und Helfer zu. Denn Tauwetter in Kombination mit tagelangen Regenfällen führte Mitte Februar 1970 zu einer der größten Hochwasserkatastrophen des 20. Jahrhunderts. Quer über das Bundesgebiet waren THW-Kräfte Seite an Seite mit Feuerwehr, Sanitätsorganisation sowie Bundeswehrsoldaten und Bundesgrenzschutz im Einsatz, um an Rhein, Main, Mosel, Neckar, Donau, aber auch kleineren Flüssen Hilfe zu leisten.
Saar-Hochwasser
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Am 13. Mai 1970 erreichte der Pegelstand in Saarbrücken einen Höchststand von 9,06 Metern. Ein höherer Stand wurde zuvor nur im Jahre 1882 gemessen.
Die Hochwassergefahr am Rhein war gerade gebannt, da ereilte die THW-Kräfte im Saarland der nächste Alarm. In der ersten Maihälfte führten Niederschläge zu einem Ansteigen der Saar und der kleineren in diese mündenden Flüsse. Der Regen hielt bis zum 12. Mai 1970 an, was zur Folge hatte, dass die Saar in Saarbrücken nur einen Tag später auf einen Höchststand stieg. Das THW arbeitete flächendeckend und umfangreich, um die Folgen der Hochwasserkatastrophe zu bekämpfen. Mit Pontons, Booten, Pumpen und LKW arbeiteten die Expertinnen und Experten daran, die Situation zu bewältigen. Erst zwischen dem 15. und 16. Mai 1970 begann sich die Lage zu entspannen.
Auswirkungen des Hochwasser-Einsatzes
Die Einbindung des THW in die Einsätze vor Ort und der daraus entstandenen Aufmerksamkeit hatten sowohl Auswirkung auf die Ausstattung des THW als auch auf die Mitwirkung am erweiterten Katastrophenschutz. Im Bundestag wurde diskutiert, wie die THW-Ausstattung verbessert werden konnte. Auf die Eingliederung der bisherigen Einheiten des Luftschutzhilfsdienstes (LSHD) in die Basisorganisationen wurde Druck ausgeübt. Darüber hinaus beschloss der Bundestag im Einvernehmen zwischen Bundesinnenministerium und Bundesverteidigungsministerium überzähliges Material der Bundeswehr an das THW zu übergeben. So kamen Bundeswehr-Parkas, Arbeitsanzüge und in größeren Stückzahlen LKW sowie Kipper ins THW. Auch Ausstattung des Bundesgrenzschutzes kam ins THW wie beispielsweise Pontons.
Längster THW-Auslandseinsatz
Der Schwerpunkt der THW-Auslandsaktivitäten lag in den 1970er Jahren in Afrika. Um die Folgen der jahrelangen Dürre in der Sahel-Zone zu bekämpfen, wurden Ende 1973 THW-Kräfte in Äthiopien eingesetzt. Sie bauten 1973 und 1974 Sanitätscamps, Gesundheitsstationen, Zisternen und transportierten Getreide sowie Zelte. 1975 bauten die THW-Kräfte in der äthiopischen Provinz Wollo Behelfsstraßen, um die Versorgung von Nahrungsmitteln und Medikamenten sicherzustellen. Erst im Februar 1976 wurde der bis dato längste Auslandseinsatz in der Geschichte des THW beendet. Fast zweieinviertel Jahre lang trugen insgesamt 114 THW-Kräfte dazu bei, sowohl die Dürre zu bekämpfen als auch mit dem Konzept "Hilfe zur Selbsthilfe" einheimische Kräfte zu aktivieren.
THW-Einsatz in Äthiopien
Video der THW-Historischen Sammlung des THW-Einsatzes in Äthiopien.
THW-Einsatz in Äthiopien
THW-Expertise gefragt

Neben Behelfsstraßen baute das THW auch Behelfsbrücken. So beispielsweise 1975 in Ruanda. 31 THW-Kräfte bauten 33 Tage lang vier Behelfsbrücken für den Straßenverkehr in Zentralafrika. Dies diente der Verkehrserschließung, da die Brücken zur dringend benötigten besseren Versorgung der ländlichen Bevölkerung beitrugen. Im Tschad wurde 1974 eine Fähre über den fast ausgetrockneten Chari gebaut. THW-Kräfte nutzten dafür Pontons des Bundesgrenzschutzes. Dass statt der vorhandenen Fähren Pontons zum Einsatz kamen, lag an der jahrelangen Trockenheit der Region und daran, dass die vorhandenen Fähren zu großen Tiefgang hatten, wodurch sie nicht nutzbar waren.
Brände in der Lüneburger Heide
Noch mehr THW-Historie?
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Weitere Informationen zur THW-Historie finden Sie auf der Seite der THW-Historischen Sammlung.
Großflächige Brände in der Lüneburger Heide sorgten im selben Jahr außerdem für einen einwöchigen Einsatz, bei dem 1.000 THW-Helfer und mehrere tausende Kräfte anderer Hilfsorganisationen vor Ort Hilfe leisteten.
Dieses Ereignis und seine Auswirkungen waren ausschlaggebend für eine Weiterentwicklung des Katastrophenschutzgesetzes. Gemäß Grundgesetz war der Katastrophenschutz bis dato Ländersache. Aufgrund des Einsatzes in der Lüneburger Heide wurden die Landes-Katastrophenschutz-Gesetze aktualisiert beziehungsweise teilweise auch überhaupt erst geschrieben. Ebenso wurde die Führungsorganisation modernisiert und angepasst, was dazu führte, dass sich auch die Einbindung des THW erheblich verbesserte.
Helfen will gelernt sein
Und auch mit der THW-Ausbildung ging es weiter voran. Im rheinland-pfälzischen Ahrweiler wurde 1971 die Katastrophenschutzschule des Bundes unter der Einbeziehung der THW-Schulen errichtet. Diese bestand schon zuvor als Zentrale Ausbildungsstätte des Bundes für den Luftschutzhilfsdienst und wurde dann zusammengelegt mit der THW-Schule. Die Schule für wasserdienstliche Ausbildung im niedersächsischen Hoya wurde zur Außenstelle der Katastrophenschutzschule. Resultat war die Öffnung der jeweiligen Landesschulen für den Katastrophenschutz auch für das THW. Beispielsweise wurden die Lehrgänge für Trupp- und Gruppenführer des Bergungsdienstes dort durchgeführt.
Meilensteine der Helfenden-Werbung
Elf THW-Landesverbände
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Ursprünglich gab es elf THW-Landesverbände: Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Saarland. Erst mit dem THW-Neukonzept Mitte der 1990er Jahre und der Zusammenführung einzelner Landesverbände im Jahr 1990, wurden daraus die acht Landesverbände, die bis heute bestehen.
Als Werbung und zur Verstärkung der Ausbildung regte Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher 1971 einen THW-Bundeswettkampf an. Noch im selben Jahr wetteiferten in Gegenwart des Ministers und zahlreicher weiterer Gäste THW-Mannschaften aus allen elf Landesverbänden um den Bundespokal. Am Ende des Wettkampfs ging der Ortsverband Saarbrücken als Sieger hervor. Die Werbeaktion glückte, denn der Wettkampf erhielt ein gutes Presseecho. Da nicht nur die Presse sondern auch die Ehrenamtlichen von dem Bundeswettkampf überzeugt waren, wurde dieser seitdem alle zwei Jahre bis 1993 abwechselnd im Bergungsdienst und im Instandsetzungsdienst wiederholt.
Seit wann hat das THW gelbe Helme?
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1976 wurde ein neuer Arbeitsschutzhelm für das THW entwickelt und eingeführt, was nicht nur zur Helfendenmotivation beitrug, sondern auch erheblich auf die Arbeitssicherheit einzahlte. Dieser löste die die alten weißen Helme, teils Bauhelme, ab. Seitdem trägt das THW gelbe Helme.
Ein weiterer Meilenstein in Sachen Helfenden-Motivation wurde durch den Bundesinnenminister Genscher 1974 umgesetzt. Im Frühjahr bei einer Veranstaltung in Goslar wurden – bereits seit Jahren geforderte – Dienstanzüge für THW-Helfer und Dienstkostüme für THW-Helferinnen präsentiert. Dass, anders als beim Einsatzanzug, mit dem Kostüm auch explizit auf weibliche Kräfte Rücksicht genommen wurde, war zum damaligen Zeitpunkt ein Novum im THW.
Gesetzlicher Auftrag
THW-Direktoren in den 1970ern
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Von 1970 bis 1974 war Erhard Schmitt der Direktor des THW, es folgte von 1974 bis 1977 Hans Zielinski, der zum zweiten Mal THW-Direktor wurde. Zuvor war er von 1962 bis 1970 Direktor des THW gewesen. Auf Zielinski folgte von 1977 bis 1985 Hermann Ahrens.
Im Jahr 1972 wurden die Verwaltungsvorschriften zum Katastrophenschutzgesetz des Bundes erlassen. Nach diesen wurde das THW, wie auch andere anerkannte Hilfsorganisationen, in die Aufgaben- und Organisationsvorgaben der öffentlichen Hand einbezogen. Dies hatte eine Reihe von organisationsinternen Umstellungen und Anpassungen zur Folge, die sich von 1968 bis Mitte der der 1970er Jahre zogen:
- Die bisherige Parallelstruktur von THW und Luftschutzhilfsdient wurden aufgehoben.
- Auch die schulische Ausbildung wurde umgebildet. Aufstellung völlig neuer Einheiten (beispielsweise Brückenbauzüge). Das THW stellte und bildete nun hauptsächlich gegliederte Einheiten der Katastrophenschutz-Fachdienste Bergung und Instandsetzung auf und aus.
- In den folgenden Jahren wurden für die Stellen und Einheiten im erweiterten Katasrophenschutz vorläufige Stärke- und Ausrüstungsnachweisungen (StAN) und vorläufige Ausbildungsvorschriften erlassen. Insbesondere in den Bereichen Bergung und Instandsetzung war das THW federführend bei der Erarbeitung.
1973 trat das Helferstatut der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk in Kraft. Gemeinsam mit dem Errichtungserlass des Bundesinnenministers aus dem Jahr 1953 bildeten sie die Vorgänger zum THW-Gesetz (dieses sollte erst 1990 als THW-Helferrechtsgesetz in Kraft treten).
Weiterentwicklung von Fahrzeugen und Ausstattung
Zu Beginn der noch jungen Organisation gab es nur wenige Fahrzeuge, die für den Nutzen einige Nachteile mit sich brachten. Sie wurden teils zu voll beladen, mussten also leistungsfähiger sein und zudem schneller und größer, sodass mehr THW-Kräfte mitfahren konnten. Daher wurde eine Neukonzeption des Gerätekraftwagens (GKW) und des Mannschaftskraftwagens (MKW) angestrebt, die Hauptveränderungen sollten dabei die vier folgenden Punkte umfassen:
THW-Fahrzeuge in den 1970ern
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Der Hauptanteil der GKW und alle MKW waren Eigentum des LSHD und wurden dem THW nur zur Nutzung überlassen. Das THW verfügte in den 1960ern beziehungsweise zu Beginn der 1970er Jahre über rund 100 GKW und etliche MTW (VW Bus) sowie Mannschaftslastwagen (MLW). Dazu kamen wenige Magirus LKW und Daimler-Benz 1113 LKW.
- Doppelkabinen-Fahrerhaus für bis zu sieben Kräfte (aufgrund einer Gesetzesänderung der 1960er Jahre).
- Separater Aluminium-Kofferaufbau für Gerät, Werkzeug und Material.
- Ein Motor mit circa 130 PS (also wesentlich stärker als die bisherigen Motoren)
- Gesamtgewicht 7,5 bis 9,5 Tonnen.

Aus den neuen Anforderungen resultierten neue Prototypen des GKW 72, der seinen Namen dem Jahrgang seines Überarbeitungsstarts verdankte. Die Prototypen wurden ausführlich auf Herz und Nieren geprüft und nach mehreren Tests, Überarbeitungen und Anpassungen konnten die Aufbauten für 63 GKW 72 am 5. Februar 1974 in Auftrag gegeben werden. Die Auslieferung an die Ortsverbände erfolgte im Jahr 1975. Die chargenweise Einführung einhergehend mit der Ablösung der Altfahrzeuge aus LSHD-Beständen zog sich noch bis Anfang der 1990er Jahre. Die letzten GKW wurden erst um 1992 ersetzt.
Steigende Helfendenzahl
Auch in den 1970ern stieg die Zahl der Helfenden stetig weiter. 1971 engagierten sich bereits rund 70.000 Helfende in 565 Ortsverbänden. Drei Jahre später – im Jahr 1974 – gab es bereits 607 Ortsverbände. Die rund 70.000 Ehrenamtlichen, davon rund 50.000 Aktive, zeigten in In- und Auslandseinsätzen ihre Expertise.
Seit 1955 durften Frauen sich ehrenamtlich im THW einbringen – jedoch nicht bei Einsätzen. Das änderte sich aber einige Jahre später: Im Jahr 1968 waren Frauen zum ersten Mal bei THW-Einsätzen dabei und ab 1970 startete die THW-Ausbildung auch für Helferinnen.
In den 1970er Jahren zeigte das THW sein Können im In- und Ausland. Lange Inlands- und Auslandseinsätze, die Entwicklung der Fahrzeuge zur Professionalisierung und Verbesserung der Einsatzbereitschaft prägten dieses Jahrzehnt für das THW. Diese Ereignisse zeigten einmal mehr wie wichtig das Engagement für den Bevölkerungsschutz in Deutschland ist.
Das THW in den 1970er Jahren
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