1960 bis 1969: Neue Herausforderungen für das THW
Die 1960er-Jahre markieren für das Technische Hilfswerk (THW) ein Jahrzehnt des Wandels und internationaler Einsätze. In dieser Zeit etablierte sich das THW weiter als zentrale Organisation für den Bevölkerungsschutz – nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit.


Bereits zu Beginn des Jahrzehnts zeigte das THW seine internationale Einsatzbereitschaft: Nach dem schweren Erdbeben in Agadir, Marokko, 1960 entsandte das THW vier Fachleute in das Katastrophengebiet. Die Einsatzkräfte unterstützten vor Ort die Bergungs- und Wiederaufbauarbeiten. Nach einem Erdbeben in Chile im selben Jahr entsendete das THW einen Berater für mehrere Wochen in die Provinz Llanguihue. Der internationale Einsatzgedanke zog sich durch die gesamte Dekade. 1963 war das THW in Skopje im ehemaligen Jugoslawien nach einem Erdbeben im Einsatz. Dabei halfen 238 Einsatzkräfte über 93 Tage in sich ablösenden Teams unter anderem, Fertighäuser zu errichteten. 1969 folgte ein Einsatz in Banja Luka im ehemaligen Jugoslawien. Hier errichteten die Helfenden vom THW ebenfalls nach einem Erdbeben Behelfsunterkünfte.
Großeinsatz bei der Sturmflut 1962

Einer der prägendsten Einsätze in dieser Dekade war die Sturmflutkatastrophe von 1962, die Hamburg und die deutsche Nordseeküste schwer traf. Mit mehr als 300 Toten allein in Hamburg war es eine der größten Naturkatastrophen in der jüngeren Geschichte Deutschlands. Das THW war in 237 Einzeleinsätzen gefordert und sicherte Deiche, barg Güter und unterstützte die Bevölkerung in einer Extremsituation. In Hamburg und Bremen waren mehr als 1.500 THW-Kräfte im Einsatz. Der Einsatz zeigte eindrucksvoll die Bedeutung des THW für den nationalen Katastrophenschutz, verdeutlichte aber auch einen Mangel an geeigneten Fahrzeugen, Kleidung und Funkgeräten im gesamten Katastrophenschutz. Nach diesem Großeinsatz kam es zu einem Umdenken in der Beschaffung für notwendiges Equipment im Katastrophenschutz. Die Länder beschafften zunehmend Ausstattung und Fahrzeuge, die auch dem THW zugutekamen. In Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen wurden beispielsweise landeseigene Trinkwasseraufbereitungsanlagen vom THW betrieben. In Rheinland-Pfalz waren es Trinkwasser-Verteilausstattung und VW Transporter, die dem THW vom Land zur Verfügung gestellt wurden.
Vielseitige Einsätze im Inland
Historische Sammlung
Hinweis
Noch mehr Informationen zur THW-Geschichte gibts auf der Seite der Historischen Sammlung:
Die Einsätze der 1960er-Jahre waren vielfältig: Sie reichten von Hochwasser- und Sturmeinsätzen über Lawinenunglücke bis hin zu technischen Spezialaufgaben, wie der Sprengung eines alten Wasserhochbehälters in Siegen oder dem Ausbrennen ölverseuchter Erde in Bentheim mithilfe einer Sauerstofflanze. Besonders ungewöhnlich war ein Einsatz 1961, bei dem Helfende des THW Kempten eine 1.500 Quadratmeter große Insel an einen anderen Ort zogen. Die Insel war nicht fest mit dem Untergrund verbunden und wurde zur Vermeidung von Gefahren für Menschen und Tiere an einen ungefährlicheren Platz bewegt.
Grubenunglück Lengede

Ein weiterer großer Einsatz für das THW in dieser Dekade war der Rettungs- und Bergungseinsatz 1963 in Lengede. Dort ereignete sich am 24. Oktober in einem Eisenerzbergwerk ein Grubenunglück. 129 Bergleuten wurde durch einen Wasser- und Schlammeinbruch der Weg zum Förderschacht abgeschnitten. Das THW war mit über 100 Helfenden im Einsatz und half durch Material und Expertise bei der komplizierten Rettung der Bergleute. Zu den Aufgaben an der Einsatzstelle gehörten das Einrichten von Fernmeldeverbindungen, das Verlegen von Strom- und Wasserleitungen sowie die Unterstützung bei den Bohrungen. Nach 14 Tagen Einsatz konnten 100 der 129 Bergleute gerettet werden, 29 kamen ums Leben.
Ungewöhnliches Wetterereignis

Am 10. Juli 1968 ereignete sich in Pforzheim ein Wettereignis, das nahezu alle Kompetenzen des THW erforderte. Nach 21 Uhr fegte ein Tornado mit einer Geschwindigkeit von 300 km/h über die Region hinweg. Auf der fünfteiligen Fujita-Skala, die das Ausmaß eines Starkwindereignisses beziffert, erreichte der Tornado eine Intensitätsstufe von vier. Durch den Wirbelsturm wurden über 2.000 Häuser beschädigt und 200 Menschen zum Teil schwer verletzt. Das THW reagierte umgehend: Rund 350 Helfende und mehr als 50 Einsatzfahrzeuge rückten aus, um zunächst mit den Bergungsgruppen die Zufahrtsstraßen wieder befahrbar zu machen. Anschließend wurden die baulichen Gefahrenstellen gesichert und abgestützt, hier kamen auch Sprengtrupps zum Einsatz. Die Fachhelfer der Elektrotrupps kümmerten sich gemeinsam mit den Stadtwerken um die Wiederherstellung der Elektroversorgung. Insgesamt dauerte der Einsatz über zwei Wochen an.
Ehrenamtliches Engagement wächst weiter
Anfänge der THW-Jugend
Information
Im Jahr 1965 wurde die Aufstellung von Jugendgruppen im Alter von 12 bis 17 Jahren in bestimmten Ortsverbänden genehmigt. So wurde schon früh der Grundstein für die heutige THW-Jugend gelegt.
Die 1960er-Jahre waren außerdem von einem Ausbau der Ausbildung geprägt. 1959 wurde in Hoya an der Weser eine Schule für den Schwimmbrückendienst gegründet. Dort wurden in den 60er Jahren große Zahlen an THW-Kräften im Führen von Wasserfahrzeugen und im Umgang mit Schwimmbrückenbau ausgebildet. Eine weitere Schule für den Schwimmbrückendienst wurde Anfang der 60er Jahre in Germersheim im sogenannten Ludwigstor eingerichtet. Der Schwimmbrückendienst war eine Einheit im THW, die sich bis Ende der 60er Jahre um die Wiederherstellung und den Aufbau temporärer Übergänge über große deutsche Flüsse, wie dem Rhein, Main und der Weser kümmerte. Außerdem war der Schwimmbrückendienst dafür zuständig Flüchtlingsströme kontrolliert über Gewässer zu leiten.
1961 wurde die THW-Schule für Technische Dienste nach Moers verlegt, nachdem sie zuvor in Kiel-Wik untergebracht war. Die THW-Bundesschule und Zentrale Ausbildungsstätte für den Luftschutzhilfsdienst zog 1965 von Marienthal ins nahe Ahrweiler. Am Ortsausgang wurde ein Lager mit Holzbaracken und Fahrzeughallen errichtet. 1968 wurde die Schule in Moers wieder aufgelöst. Die Lehrtätigkeit für die Technischen Dienste ging auf die Schule in Ahrweiler über.
Damit wurde die systematische Schulung der Helfenden weiter vorangetrieben. Im Jahr 1964 nahmen insgesamt 3.000 Helfende an über 200 Lehrgängen an THW-Schulen teil. Insgesamt zählte das THW in diesem Jahr in den 482 Ortsverbänden rund 28.900 Helfende mit abgeschlossener Grundausbildung. Am 1. Januar 1969 gab es 45.267 aktive Helfende, die auf 542 Ortsverbände verteilt waren.
Neue Technik
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Die 1960er-Jahre brachten auch technische Innovationen für das THW. Ende der 60er Jahre wurde der provisorische Brückenbau im THW durch die Einführung des Bailey-Systems aus Stahlfachwerkteilen deutlich vereinfacht und vor allem beschleunigt. Das modulare System, das die Briten bereits seit zwei Jahrzehnten nutzten, fand im THW großen Anklang. Mit dem System aus kleinen und großen Bauteilen war es möglich, Brücken in nahezu allen benötigten Größen in kürzester Zeit zu errichten.
Dieses System kam beispielsweise 1969 in Tunesien zum Einsatz. Dort wurden durch ein Erdbeben 32 bedeutende Straßenbrücken und zwölf Eisenbahnbrücken zerstört. Insgesamt waren über 100.000 Menschen von den Folgen der Katastrophe betroffen. Das deutsche Außenministerium erteilte dem THW damals den Auftrag sechs Straßenbrücken wiederherzustellen. Ein Team von 67 THW-Helfern baute zusammen mit 15 vor Ort geschulten tunesischen Fachleuten sechs Bailey-Brücken auf.
Durch das Mitwirken vieler THW-Ortsverbände im Bergungsdienst des Luftschutzhilfsdienst kamen in den 60er Jahren auch erstmals Kraftfahrzeuge und Ausstattung in größeren Zahlen ins THW. Ab 1963 strukturierte das THW die organisationseigenen Technischen Dienste neu und stellte Einheiten in Zugstärke für Schadensbehebung an Elektro-, Wasser,- und Gasversorgung sowie Abwasserentsorgung auf. Aufgaben, die in Teilen bis heute vom THW für den Katastrophen- und Zivilschutz übernommen werden.
Strukturelle Entwicklungen im Katastrophenschutz
Direktoren des THW
Information
Von 1958 bis 1962 war Dr. Ing. Rudolf Schmid Direktor des THW, 1962 wurde er von Dipl. Ing. Hans Zielinski abgelöst. Zielinski war bis 1970 Direktor des THW.
Am 9. Juli 1968 wurde das Gesetz über den erweiterten Katastrophenschutz (KatSchErwG) vom Deutschen Bundestag beschlossen. Nach diesem Gesetz wurde der Katastrophenschutz in folgende Aufgaben aufgeteilt:
- Brandschutzdienst (Feuerwehr)
- Bergungsdienst (THW, Feuerwehr)
- Instandsetzungsdienst (THW)
- Sanitätsdienst (ASB, DRK, JUH, MHD)
- Betreuungsdienst (ASB, DRK, JUH, MHD)
- ABC-Dienst (gemischt)
- Veterinärdienst (Aufgabe der Kreise)
- Fernmeldedienst (gemischt)
- Versorgungsdienst (gemischt)
Das THW wurde als Fachorganisation für Bergungs- und Instandsetzungsdienste in den erweiterten Katastrophenschutz eingebunden, wodurch sich seine Rolle weiter festigte. Der Luftschutzhilfsdienst wurde aufgelöst und in die zuständigen Basisorganisationen eingegliedert. Die Ausstattung und Fahrzeuge wurden in den folgenden Jahren auf die Organisationen verteilt. Außerdem ermöglichte das Gesetz den Helfenden vom THW, sich vom Wehrdienst befreien zu lassen, wenn sie sich für zehn Jahre verpflichteten.
Ein starkes Ehrenamt
Die 1960er-Jahre zeigen, wie vielseitig das THW von Beginn an war. Von Naturkatastrophen über technische Innovationen bis hin zur strukturellen Weiterentwicklung – das THW stellte sich immer wieder neuen Herausforderungen und legte damit den Grundstein für seine heutige Stärke.
Die THW-Helfenden setzten mit ihrem Einsatz wichtige Meilensteine und bewiesen, wie bedeutend ehrenamtliches Engagement für die Gesellschaft ist – ein Engagement, das bis heute das Fundament des THW bildet.
Bilder aus den Jahren 1960 bis 1969
Hinweis
Alle vom THW zur Verfügung gestellten Bilder sind honorarfrei und dürfen unter Angabe der Quelle "THW" für Berichterstattung über das THW und das Thema Bevölkerungsschutz verwendet werden. Alle Rechte am Bild liegen beim THW. Anders gekennzeichnete Bilder fallen nicht unter diese Regelung.
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